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Post by che68 on Jun 19, 2020 9:16:03 GMT
Im Whats App Forum "Politik und anderes" vom Deutsche in Nord London Treffen, wird das gerade heftig diskutiert. Das erste Ergebnis war das der farbige Deutsche das Forum verliess, er hinterliess Betroffenheit. Eine Erkenntnis, die nicht neu ist , macht sich im Moment breit das Nationalismus und Rassismus meist das gleiche sind. Ist die Frage wo kommst Du her, ist eigentlich ein haeufiger Gespraechsanfang bei diesen Treffen. Niemand wird das in diesen Zusammenhang als rassistisch oder nationalistisch empfinden. Abgesehen von regionalen Neckereien , ach ein "Gelbfuessler", "Fischkopp" oder auch "Deutscher Schotte" ,Jeder kann da wohl etwas zubeitragen. Keiner wird deshalb, sich empoeren und die Gruppe verlassen. Anders ist es wenn die Frage wo kommst Du her, am Arbeitsplatz (z.B.) gestellt wird. Macht macht es doch auch, um einen Gespraechanfang zufinden. In Kuechen finden sich of internationale Brigaden (in London mit Sicherheit nicht nur da). In meiner ersten Stelle als Chef de Partie, war der Kuechenchef Chinese, da eruebrigt sich diese Frage wohl. Nicht ganz, weil es ein Unterschied ist ob Festland, Formosa oder Hong Kong die Herkunft ist. Einer der Commis war ein Farbiger, ein ander Kollege ein Egypter. Als ich den Farbigen fragte woher er kommt, geschah das nur aus persoenlichen Interesse.Und die Antwort liess mich etwas hilflos zurueck: Liverpool. Ups, aber ja wohl richtig. Mein Nachbar hier wuerde sagen: Kongo.Mit besserer Kenntnis , koennte man sich die Frage sparen, weil es nicht Ghana sein kann und nicht Kuba. Der der das Forum verliess, ist aus Karlsruhe, in Nuernberg aufgewachsen haette er es vielleicht leichter gehabt.Aber nur vielleicht.In London mit Sicherheit, obwohl man das ja nie richtig beantworten kann, wenn man nicht in dieser Haut steckt. Latenter Rassismus, wir sind damit aufgewachsen. Deutsche im Ausland in in der Mehrzahl weniger nationalistisch.
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Post by 3rika on Jun 30, 2020 18:51:07 GMT
Leider ist das echt zu einem schwierigen Thema geworden. Vor einigen Monaten hatte ich eine Patientin, dessen Name ich nicht aussprechen konnte. Wie alle, hat sie mir das nicht krumm genommen und war sehr freundlich. Ihr deutsch war gut, mit einem starken Akzent, den ich zu 99% zuordnen konnte "Wo kommen Sie her?" - "Musterstadt?" (Stimmlage ging wie bei einer Frage hoch) ich legte meinen Kopf schief und hob meine Augenbrauen "Sie sind aus Frankreich" - "oooo 'ört man daas?" und es hat sich ein wundervolles Gespräch entwickelt. Oder ist es unter Europäern kein Rassismus? Was darf ich denn noch? In der Schule war der beliebteste Junge mit afrikanischen Wurzeln. Er war einfach nur der coolste und wir hatten einen heimlichen Fanclub gegründet um ihn kollektiv verehren zu können.
Zwei kleine Ausschnitte aus meinem Leben, die ich hier gerne teilen möchte.
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Post by klauspw on Jun 30, 2020 19:25:26 GMT
Meine Frau ist britische Staatsbürgerin, aus Jamaika, hier seit vielen Jahrzehnten, und ist äusserst aufgebracht nach dem Mord an George Floyd auf offener Strasse live im Netz. Obwohl ich den Begriff "white privilege" kannte ist mir erst jetzt klar was das heisst. Wenn du schwarz bist dann lebst Du damit jeden Tag, mit den schrägen Blicken auf der Strasse und in den Läden, oder wenn sie ein teures Auto fährt, und die Fragen nach der wirklichen Herkunft - als weisser kann man ganz einfach in der Masse verschwinden wenn's einem nicht gefällt. Und dann die lapidaren Feststellungen das schwarze einen "Chip on the Shoulder" hätten (hab ich hier schon vor 40 Jahren gehört) oder "just get over it" zur Sklaverei. Man muss sich mal verdeutlichen das auch viele Schwarze Ahnenforschung machen und dann beim Namen hängenbleiben - dem Namen des Sklaveneigners welcher ihrer ist. Und den Leuten die mit Sklavenhandel viel Geld verdienten wurden auf Denkmälern verewigt, bekamen Schadensausgleich von den Versicherungen wenn mal ein Sklavenschiff unterging, bekamen Kompensation als die Sklaverei abgeschaft wurden. Und bis vor kurzem kein Denkmal oder Plakette für einen Sklaven oder schwarzen im allgemeninen. Und das betrifft ganz Europa - nicht nur GB oder USA. Und Mütter sagen ihren Söhnen das sie ja nicht mit Polizei in Kontakt geraten sollen - sie haben ganz einfach Angst das ihnen was passiert - und einige Videos von Polizeiaktionen hier bestätigen diese Sorge - auf die Frage warum man angehalten wurde kommt gleich der Stock oder Taser raus und Verstärkung wird angefordert. Das ist die Realität - ganz zu schweigen von Chancegleichheit, etc.
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Post by 3rika on Jul 2, 2020 17:37:40 GMT
Diese Dinge sind durchaus zu thematisieren! Besonders, wenn es direkt so tief geht wie Verehrungen von Sklaventreibern.
Ich wiederum muss Angst haben, falsch mit Mitmenschen anderer Herkunft umzugehen. Das fängt schon damit an, dass ich Angst habe die Hautfarbe zu erwähnen. Ich habe schonmal einen fast-Patienten aus der Praxis geworfen weil er nicht nur rassistisch gegenüber meiner türkischen Kollegin geworden ist, sondern weil seine Aussagen dermaßen unter der Gürtellinie gewesen, das ich mich immer noch wunder, dass sowas tatsächlich bei uns vorgekommen ist.
Darf ich alle Menschen gleich behandeln und sagen "HEY! Hier wird nicht vorgedrängelt!!!" oder mich wehren, wenn ich angepöbelt werde? Oder ist es nur in Ordnung, wenn ich meinen priviligierten Mitbürger darauf aufmerksam mache, dass er seinen Müll bitte nicht auf der Sitzbank liegen lassen soll? Es gibt genug bekloppte Menschen auf der Welt und ich finde es rassistisch, wenn ich durch diese neue Bewegung darauf aufmerksam gemacht werde, dass ich meine Mitmenschen einteilen muss in Nationalitäten um dann entscheiden zu können, mit welchen Samthandschuhen ich sie anfassen darf. Ich höre deutsche Jugendliche auf dem Bahnhof rotzen und pöbeln, am nächsten Bahnhof pöbeln die, dessen Hautfarbe ich nicht erähnen darf. Und bin einfach von beiden gleichermaßen angewidert.
Heute fange ich wirklich an, mich für meine Hautfarbe zu schämen. Ob ich untertauchen kann oder nicht. Eben wirklich heute kamen zwei wunderschöne Asylbewerberinnen in unsere Praxis und ich hatte das Glück, dass sie noch kein Deutsch können. Da ich der Fremdsprachen-Ansprechpartner bin. Denn ich liebe es, mich mit anderen in einer anderen Sprache zu unterhalten. Aber da diese nun vermutlich afrikanisch gewesen sind (mit dem exakten Schubladendenken klappt es bei mir nicht, vielleicht ist mein Hirn dafür zu unschuldig) , hatte ich Angst ihnen Anweisungen zu geben. Sie müssen sich entkleiden. Was geht in ihren Köpfen vor? Vielleicht, dass ich sie demütigen will? Nein, ich will eine gute Diagnostik für sie. Vor einigen Monaten noch habe ich mit solchen Patienten total gerne geredet. Jetzt ist es mir brutal unangenehm.
Damit will ich die Debatte übrigens nicht runterspielen oder gar mich in die Opferrolle versetzten. Damit will ich nur sagen: es ist nicht leicht! Diese wirklich großen Themen sind THEMEN! Man möchte Gleichberechtigung und schafft dadurch Rassismus gegenüber dem vermeintlich priviligierten Volk... Ich möchte weder die einen noch die anderen über einen Kamm scheren. Ich möchte alle gleich behandeln und doch auf das Individuum eingehen. Bei den meisten, die laut werden, habe ich das Gefühl, dass ihr Wunsch nur Aufsehen ist und keine Veränderung oder Gleichberechtigung. Ich hoffe, dass genau diese lauten Gesichter schnell müde werden und man sich den ernsten Themen widmen kann. Denn All lives matters. Und zwar Hand ich Hand.
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Post by klauspw on Jul 2, 2020 20:43:00 GMT
Was hier sehr populär ist das man sagt "I don't see colour / race / etc", also man ist farbenblind, aber schwarze Menschen (oder "people of colour") möchten auch anerkannt werden was einschliesst das man sie als solche anerkennt. Mir sind diese ganzen Diskussionen und Vorbehalte oder Sorgen zur Thematik sehr geläufig da ich beide Seiten sehr gut kenne - auch ich bin nicht perfekt.
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Post by 3rika on Jul 3, 2020 7:47:36 GMT
Mir fällt es schwer zu entscheiden, wie ich mich verhalten sollte. Ich will ja niemandan verletzen und nur weil ich es vermutlich nicht verstehe, will ich auch nicht als Rassist abgestempelt werden, nur weil ich mich gerne über kulturelle Unterschiede unterhalte.
Ich denke, dass ich darüber nicht informiert bin. Also habe ich mir etwas anhören wollen, das war aber auf dem Niveau von "die nehmen unsere Arbeitsplätze weg". Da bringen Argumente auch nichts mehr, nur noch eine Tiefenpsychologie. Unter der ganzen Lautmalerei ist es für mich schwer den Kern zu finden.
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Post by hafi on Jul 5, 2020 9:22:11 GMT
che68 Rassismus, Vorurteile und Schubladendenken ist in Deutschland kulturell verwurzelt, das hängt nicht einmal an der Hautfarbe. Es ist eben einfacher so und man muss nicht drüber nachdenken. Wenn es sich dann herausstellt dass man falsch liegt, entschuldigt sich auch niemand dafür. Einer der Gründe für mich, Deutschland zu verlassen und nicht zurückzukehren.
Es mag daran liegen, dass Deutschland im Gegensatz zu UK historisch homogener war. In UK ist es nicht wirklich besser, aber immerhin meistens doch nicht ganz so In Your Face (außer du bist schwarz und fährst BMW ...).
Meine Schwägerin hat einen russischen Nachnamen, die Gross- oder Urgroßeltern stammen von da. Auf deutschen Ämtern wurde sie schon mehrmals grob angemacht dass sie ja wohl noch einen zweiten Pass habe und dass sie ihren russischen Pass vorlegen müsse, nicht nur ihren deutschen. Ein anderes Mal wurde sie lieb angesäuselt, ja sie sprechen ja gut Deutsch! - Sie stammt aus Schleswig Holstein und hat einen klaren norddeutschen Akzent. In den wilden 90ern hatte meine Cousine einen britischen Bekannten - der hieß nur "ihr Engländer" wenn man über ihn sprach. Mich gruselt's bei dem Gedanken, dass es meinem britischen Ehemann ebenso gehen könnte, würden wir denn zurück gehen.
Wie man sich verhalten sollte - normal halt, wie zu allen anderen auch. Leute nicht auf eventuelle kulturelle Unterschiede ansprechen, nur aufgrund der Hautfarbe. Vor allem nicht beim ersten Kennenlernen. Und wenn es sich vermeiden lässt nicht als erster Satz fragen wo jemand herkommt (das ist auch in UK eine Art Intelligenztest, nur wenige stellen diese Frage NICHT als Erstes). Ich hatte in meinem letzten Job 2 farbige britische Kollegen, wir haben uns über alles Mögliche unterhalten, aber wirklich nicht über deren genetische Herkunft.
Ich denke auch dass viele Deutsche im Ausland bewusster mit Diskriminierung umgehen, nach a taste of your own medicine ist man da eher sensibilisiert. Vielleicht ist es auch nur die britische Höflichkeit, die auf die Britanniendeutschen abfärbt.
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Post by kreuzberger on Jul 11, 2020 20:45:44 GMT
Manche deutsche Beamte sind zu allen unfreundlich, nicht nur Leuten mit mutmasslichem Migrationshintergrund. Ich bin schon mal gespannt auf meine naechten Antraege fuer Pass und Perso, die demnaechst in Berlin faellig sind.
Ansonsten braucht man einfach etwas Feingefuehl. Ich kann zum Beispiel meinen neuen asiatischen Kollegen darauf ansprechen, dass er in Alberta aufgewachsen ist. Nicht aber auf die mutmassliche Herkunft seiner Familie.
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Post by elizabethii on Aug 23, 2020 0:07:05 GMT
Leider ist das echt zu einem schwierigen Thema geworden. Vor einigen Monaten hatte ich eine Patientin, dessen Name ich nicht aussprechen konnte. Wie alle, hat sie mir das nicht krumm genommen und war sehr freundlich. Ihr deutsch war gut, mit einem starken Akzent, den ich zu 99% zuordnen konnte "Wo kommen Sie her?" - "Musterstadt?" (Stimmlage ging wie bei einer Frage hoch) ich legte meinen Kopf schief und hob meine Augenbrauen "Sie sind aus Frankreich" - "oooo 'ört man daas?" und es hat sich ein wundervolles Gespräch entwickelt. Oder ist es unter Europäern kein Rassismus? Was darf ich denn noch? In der Schule war der beliebteste Junge mit afrikanischen Wurzeln. Er war einfach nur der coolste und wir hatten einen heimlichen Fanclub gegründet um ihn kollektiv verehren zu können. Zwei kleine Ausschnitte aus meinem Leben, die ich hier gerne teilen möchte. Auch ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Eine meiner besten Freundinnen hat afrikanische Wurzeln und lebt seit ihrer Geburt in Deutschland. Ich verstehe die Rassismus-Debatte aus meiner eigenen Sicht und Erfahrung daher nicht; ich komme mit jedem klar, der selbst auch nett zu mir ist und schätze jeden Menschen sehr, der gut mit seinen Mitmenschen umgeht. Ich nehme aber an, dass die Situation in den USA nicht vergleichbar ist, aufgrund der Vorgeschichte, sowie der Anzahl an Dunkelhäutigen, die dort leben. Statistisch gesehen stehen Weiße in den USA finanziell 10x besser da; das muss einen Grund haben. Ich glaube aber, dass Black Lives Matter in einigen Ländern dieser Welt zu anderen politischen Zwecken missbraucht wird - was auch nicht gut ist.
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Post by klauspw on Aug 23, 2020 10:44:21 GMT
Ich glaube aber, dass Black Lives Matter in einigen Ländern dieser Welt zu anderen politischen Zwecken missbraucht wird - was auch nicht gut ist. Es gibt einen Ausdruck "Whitesplaining" - d.h. wo Weisse den Schwarzen erklaeren was es mit Rassismus auf sich hat und wie sie damit umgehen muessen. Haben mir schon viele Leute erklaert wo die Schwarzen es falsch machen .... "Black Lives Matter" ist extrem wichtig und muss sich mit allen Facetten der Gesellschaft befassen, und alles ist politisch. Das Statement wird haeufig von den sog. Populisten benutzt um BLM zu diskreditieren. Persoenlich habe ich es aufgegeben diese Sachen zu erklaeren - dealing with a lot of outrageous opinions is tedious and very tiring - not refering specifically to this forum but more general.
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